Rías Baixas - Die Unbekannte

Noch vor zwanzig Jahren waren die Weißweine aus der D.O. Rías Baixas völlig unbekannt, und die Rebfläche betrug weniger als ein Drittel der heutigen rund 2.500 Hektar. Was heute als Weißweinwunder Spaniens gefeiert wird, bestand damals aus einer Gruppe völlig veralteter Genossenschaftskellereien, die das wenig gepflegte Lesegut tausender Teilerwerbswinzer aufnahmen und meist plumpe, ins grasige und oxidative gehende Weißweine kelterten, die als Fassware in die Großabfüllereien der Städte gelangten. Den einzigen halbwegs sortenreinen Albariño lagerten die Bauern für den Eigenbedarf, und der war ab April meist nicht mehr genießbar. Mit dem Ende der Franco-Ära wagten einige Unternehmungslustige in die Weinverarbeitung zu investieren und zeigten, dass sich aus der verkannten Albariño-Traube Weißweine bereiten ließen, die den noblen Sorten aus dem Norden in nichts nachstanden. Zunächst wollte man eine reine Albariño-Denominción schaffen. Da jedoch am südwestlichen Zipfel der Provinz Pontevedra traditionell Verschnitte vinifiziert wurden, entschloss man sich, der Tradition zumindest in dieser Hinsicht Rechnung zu tragen und alle alteingesessenen Rebsorten mit in das Reglement aufzunehmen. Man änderte die provisorische Bezeichnung von Albariño in Rías Baixas, was auf Galicisch die unteren (südlichen) Buchten bedeutet.


Die D.O. teilt sich in vier Unterzonen mit unterschiedlichen Boden-und Klimaverhältnissen. Wie in anderen Gebieten auch können Erzeuger in der gesamten D.O. Lesegut kaufen, was zu Folge hat, dass nur wenige Adegas - galicisch für Bodegas - mit bodentypischen Gewächsen aufwarten können. Mit der kürzlichen Entstehung zahlreicher kleiner Weingüter wird der Terroircharakter in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen. Sortenreine Albariños sind im ganzen Gebiet üblich. Das Zentrum dieser Rebe ist die Unterzone El Salnés mit dem gemütlichen Städtchen Cambados, das jedes Jahr ein Fest zu Ehren dieser Traube feiert. Der Albariño ist eine sehr aromatische Sorte, die neben eleganter Frucht guten Extrakt und feine Säure aufweist. Trägt ein Wein nur die Bezeichnung Rías Baixas, enthält er mindestens 70 Prozent Albariño und je nach Unterzone die Sorten Caíno, Loureira, Torrontés oder Treixadura. Die Rotweinproduktion in diesem Gebiet ist unwesentlich.


ALBARINO UND MEERESFRÜCHTE

Etwas weiter südlich nahe der Provinzhauptstadt Pontevedra befindet sich die kleinste Unterzone, Soutomaior, mit etwa 400 Winzern, die fast nur reine Albariño-Weingärten bewirtschaften. Weiter südlich, direkt an der portugiesischen Grenze, liegen die Teilgebiete O Rosal und Condado de Tea. Das raueste Klima mit späten Frösten weist das Condado auf. Ansonsten ist das Klima sehr mild mit Niederschlagswerten, die eher an Nordeuropa erinnern, als an die Iberische Halbinsel.

Galicien ist ein Schlaraffenland für Feinschmecker, und die Gallegos sind in Spanien bekannt für ihre Vorliebe viel und gut zu essen und insbesondere Meeresfrüchte, die in ihrem Buchten in einmaliger Vielfalt vorkommen. Dazu passen die Rías-Baixas-Weine ausgezeichnet. Die wunderbare Frucht, die oft exotische Noten annimmt, sowie die schlanke, aber kräftige Struktur machen aus diesen Weinen ideale Essensbegleiter. So gut wie alle Betriebe bauen ihre Weine in modernen Stahltanks aus. Die Weine kommen zum Teil schon vor Weihnachten in den Verkauf und geben sich spritzig mit frischer Frucht. Ein guter Rías Baixas ist immer hocharomatisch. In den letzten Jahren lässt man die besten Weine jedoch länger - meist acht Monate - im Tank, um komplexere Fruchtaromen und mehr Harmonie zu erreichen. Trotzdem sollten alle galicischen Weißweine spätestens im zweiten Jahr nach der Ernte getrunken werden.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk „Wein" vom André Dominé aus dem Jahre 2000, in Teilen zitiert)

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