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Sachsen

Noch im Mittealter wurde fast auf dem gesamten Gebiet der östlichen Bundesländer Weinbau betrieben. Bis an die Ostseeküste zogen sich damals die Rebflächen, die das Vielfache der heutigen Ausdehnung erreichten. Der unaufhaltsame Niedergang setzte im Dreißigjährigen Krieg ein, dem unzählige Weinberge zum Opfer fielen. Was die Söldner nicht vernichtet hatten, erledigte die Reblaus dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. So ist der Weinbau Ost heute auf kleine Landstriche in den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt, genauer: in den Tälern der Elbe, der Saale und der Unstrut beschränkt. Natürlich wurde hier auch zu DDR-Zeiten Weinbau betrieben, doch mehr als im Westen der Republik hatte er sich fast ausschließlich an den zu erntenden Mengen zu orientieren, die Qualität der Produkte war dem planwirtschaftlichen Aspekt untergeordnet.
Während die im Westen einsetzenden Qualitätsbewegung der 1980er und 1990er Jahre diese Ausrichtung nachhaltig zu korrigieren begann, setzte ein vergleichbarer Prozess nach der Wiedervereinigung im Osten nur sehr zögernd ein. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen die meisten Betriebe zu kämpfen hatten, und das Fehlen einer Struktur kleinerer und mittlerer Weinbaubetriebe ließen wirkliche Spitzenproduktion kaum zu. Hinzu kamen die schwierigen klimatischen Bedingungen, unter denen der Weinbau in den neuen Weinregionen Saale-Unstrut und Sachsen organisiert werden musste. Beide Gebiete sind die nördlichsten Deutschlands und liegen hart an der äußersten Weinbaugrenze, jenseits derer eine regelmäßige Traubenreife nicht mehr zu erwarten ist. Das Klima ist wie in Franken und Württemberg kontinental geprägt, aber den milden Sommern stehen hier noch kältere Winter gegenüber.
Auch das kleinste Anbaugebiet Deutschland im Elbtal zwischen Dresden und Meißen - hier wurde schon im 19. Jahrhundert die ersten deutschen Weinbauschule gegründet - wird von Müller-Thurgau beherrscht. Aber durch die Erweiterung der Anbauflächen von etwa 200 Hektar zu DDR-Zeiten auf über 350 Hektar, unterstützt von einem Wiedervereinigungsbonus der Europäischen Union, haben Riesling und vor allem Weißburgunder an Bedeutung gewinnen können.

Auch an der Elbe blickt der Weinbau auf eine lange Geschichte zurück, wie eine Urkunde aus dem Jahr 1161 belegt. Berühmt sind die Weinberge von Pillnitz und Wachwitz, auf denen die sächsischen Könige ihren eigenen Wein anbauen ließen. Die Rebstöcke wurden an besonders steile Hänge gesetzt, um den häufig auftretenden Frühjahrsfrösten weniger ausgeliefert zu sein. Doch in manchen Jahren reduzieren extrem niedrige Temperaturen die Erträge dennoch erheblich. Aber auch die geringen Niederschlagsmengen, die im Durchschnitt nicht mehr als 500 mm im Jahr ausmachen, wirken sich ertragsbegrenzend aus. Wo die Ernten ohnehin nicht mehr als 30 bis50 Hektoliter pro Hektar ausmachen, schienen die Umweltbedingungen von ganz allein dafür Sorge zu tragen, dass die besten Weine ungeachtet ihrer nördlichen Herkunft über eine ordentliche Konzentration verfügen.
Der weitaus größte Teil der meist nur wenige Hektar umfassenden Weingärten wird heute von 2 500 Nebenerwerbswinzern bewirtschaftet, die sich in der Winzergenossenschaft Meißen organisiert haben. So wird in dieser Genossenschaft die Lese von ungefähr der Hälfte der Gesamtrebfläche verarbeitet.
Der Staat Sachsen betrieb das einst 100 Hektar umfassende Gut Schloss Wackerbarth bei Radebeul ursprünglich mit gutem Erfolg, und dessen Sekt war berühmt. Da jedoch die meisten der Rebflächen nur gepachtet waren und inzwischen größtenteils an die Eigentümer zurückgegeben werden mussten, ist die Zukunft des Gutes, dem so die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird, heute fraglich. Dagegen erlebt das Schloss Proschwitz unter Georg Prinz zur Lippe eine Renaissance und Winzer wie Vinzenz Richter, Walter Schuh, Jan Ulrich oder der biologisch arbeitenden Klaus Zimmerling bieten bereits gute Qualitäten.
Das Weingebiet Sachsen ist ebenso wie Saale-Unstrut ein beliebtes Ausflugsziel. Beide Regionen kennen im Moment keine Absatzprobleme und verkaufenden überwiegenden Teil ihrer Erzeugung zu hohen Preisen an die Tagestouristen. Der Rest sorgt auf den Weinkarten der ostdeutschen Gastronomie für die regionale Note.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk "Wein" vom André Dominé aus dem Jahre 2000, in Teilen zitiert)

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