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 Ist die Lombardei mit Mailand der Kopf...

Emilia Romagna

Ist die Lombardei mit Mailand der Kopf Italiens, kann man die Emilia Romagna getrost als den Bauch bezeichnen. In der Region, die den Südwesten der Po-Ebene und die Nordhänge des Apennin belegt, kultivieren 150 000 landwirtschaftliche Betriebe überwiegend Weizen und Zuckerrüben. Pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche wird hier mehr produziert als im restlichen Italien, was auf fortgeschrittene Mechanisierung und optimale Nutzung von Produkten der Agrochemie zurückzuführen ist.
Topografisch ist die Region in eine weite Ebene und das Bergland des Apennins gegliedert. Das Flachland besteht aus alluvialen Schwemmlandböden, die von den zahlreichen Flüssen auf ihrem Weg zur Adria angespült wurden. Das Klima ist wie überall in der Po-Ebene sehr feucht, was sich häufig in dichtem Nebel manifestiert. Im Sommer wird es heiß und stickig, die Winter sind regenreich und kalt. Das Berg- und Hügelland umfasst die Nordseite des toskanisch-emilianischen Apennins. Hier sind die Böden karger - sie bestehen je nach Lage aus Verwitterungsgestein und rotem Lehm -, und das Klima ist als Folge der Luftzirkulation trockener.

Mit über sechs Millionen Hektolitern liegt die Emilia Romagna als Weinlieferant nach Sizilien, Apulien und Venetien an vierter Stelle. Der meiste Wein wächst in der Ebene auf schweren, fruchtbaren Böden und bringt, wie die benachbarten Getreide- und Rübenäcker, besonders hohe Erträge. Auf Qualitätsweine entfallen ja nach Jahrgang nur 12 bis 15 Prozent der Gesamtproduktion.

ES MUSS NICHT IMMER PRICKELN

Man scheint in Parma, Modena, Reggio und Umgebung zu glauben, nur moussierende Weine passten zur einheimischen Küche mit ihren deftigen und fettreichen Spezialität der Romagna, des östlichen Teils der Region, der sich an die Adria schmiegt und dort in die Marken übergeht. Hier wird mit dem Albana di Romagna jener Wein produziert, der als erster Weißwein Italiens den DOCG-Status erhielt. Wie es dazu kommen konnte, ist bis heute ein Rätsel. Die wuchskräftige Sorte, die viel Feuchtigkeit braucht, ist extrem produktiv, was sich auch in den DOCG-Statuten niedergeschlagen hat, die einen Hektarertrag von 100 Hektolitern zulassen. Interessant ist dieser Wein allenfalls in seiner Passito-Version. Und dass der Schaumwein Albana Spumante einen eigene DOC- Bezeichnung führen darf, scheint absurd. Auch der Pagadebit und der Trebbiano di Romagna können die Tendenz zu überhöhten Erträgen nicht leugnen. Besser steht es um den roten Sangiovese di Romagna, zumindest gelegentlich, auch wenn er die Größe der toskanischen Vertreter nicht erreichen kann. Mehr als sauber vinifizierte, süffige Weine kann man unter der Herkunftsbezeichnung nicht erwarten. Allenfalls einige Verschnittweine aus Sangiovese und Cabernet Sauvignon besitzen genug Volumen und Tiefe, um auf nationaler Ebene zu überzeugen. Auch  aus den anderen DOC-Bereichen der Emilia Romagna, den Colli Bolognesi, Colli di Parma und Colli Piacentini, kommen selten interessante Qualitäten. Die Weine sind meist leicht, perlend und mehr oder weniger süß.
Die beinah aussichtslose Lage verdankt der Weinbau hier den Genossenschaften, denen fast alle Weinbauern angehören- die größte verarbeitet Trauben von 27 000 Hektar Weinbaufläche, das ist mehr als ein Viertel der deutschen Rebfläche. Die Genossenschaften aber vertreten die mengenorientierte Marktpolitik, und ihr Einfluss ist groß.

MYTOS BALSAMICO

Aceto Balsamico Tradizionale di Modena und di Reggio Emilia sind das Edelste, was aus Tebbiano-Trauben hergestellt wird. Die Jahresproduktion beläuft sich auf nicht mehr als durchschnittlich 3000 Liter. Mindestens zwölf Jahre muss der aus eingedicktem Trebbiano-Most gewonnene Balsamico in einer Batterie aus verschieden großen Fässern, die meist aus unterschiedlichem Holz bestehen, altern, bevor er angeboten werden darf. Man erhält ihn in 100-Milliliter-Flaschen abgefüllt, und tropfenweise verwendet verleiht er exquisiten Speisen das I-Tüpfelchen an Geschmack.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk ?Wein" von André Dominé aus dem Jahr 2000, in Teilen zitiert)

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