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Südtirol & Trentino

Trentino-Südtirol

Südtirol, das historisch wie kulturell eng mit dem österreichischen Nordtirol verbunden ist, gehört seit dem Ersten Weltkrieg zu Italien und bildet zusammen mit dem Trentino eine autonome Doppelregion. Das Qualitätszentrum Südtirols liegt im Gebiet Überetsch, einer Bergterrasse oberhalb des Etsch-Tals zwischen Bozen/Bolzano im Norden und Auer/Ora im Süden. Hier verläuft außerdem der schönste Teil der Südtiroler Weinstraße, Kleinerer Qualitätszentren finden sich drüber hinaus im Gebiet von Terlan, Meran und Sankt Magdalener.

Der langen Zugehörigkeit zu Tirol und zum deutschen Sprach- und Kulturraum ist neben der Zweisprachigkeit Südtirols auch die Verbundenheit des Weinbaus mit deutschen und österreichischen Modellen zu verdanken. Das beginnt bei einem Teil der insgesamt 18 kultivierten Rebsorten wie Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau, Gewürztraminer, Kerner oder Trollinger (alias Vernatsch oder Schiava), setzt sich fort über die Art der Lagenbenennung und reicht bis zu Erntepraktiken wie der Auslese, die in die DOC-Statuten Eingang gefunden haben. Wenn 90 Prozent der Südtiroler Produktion aus (gesetzlichen) Qualitätsweinen bestehen, so heißt dies hier ebenso wenig wie in Deutschland. Dennoch hat sich Südtirol als eine besonders Qualitätsbewusste italienische Region erwiesen.

Kellereien und Genossenschaften

Im Unterschied zu anderen Regionen, etwa dem Piemont, ging die Initiative für diese Entwicklung hier nicht von den Winzerbetrieben, sondern von größeren Handelskellereien und Genossenschaften aus. Lageder und Hofstätter, später auch Niedermayer und einige andere auf der einen, Girlan, Schreckbichl, Terlan oder Kurtatsch auf der anderen Seite. Dabei kam den Genossenschaften, die fast zwei Drittel der gesamten Traubenlese Südtirols verarbeiten, eine besondere Rolle zu, da sie die Bewegung in die Breite und Tiefe trugen.

Vor allem die Abkehr von der Vermarktung übergroßer Mengen billiger und einfacher Vernatsch-Weine (vorwiegend als Kalterersee, Bozner Leiten oder Sankt Magdalener verkauft) wirkte in dieser Hinsicht segensreich. Die Sorte Vernatsch war früher - zulasten des Geschmacks - auf hohe Erträge gezüchtet worden. Erst in den letzten Jahrzehnten bewiesen sorgfältig kultivierte Vernatsch-Gewächse - oft nicht als Kalterersee, sondern unter der Sortenbezeichnung verkauft -, dass in der Rebe erstaunliche Qualitäten schlummern.

Rebsorten in Bewegung

Die unmäßige Auspflanzung des Vernatsch in immer größere und produktivere Rebflächen hatte mit dem Gewürztraminer auch eine der ältesten bekannten Rebsorten Italien - schon Ende des ersten Jahrtausends ist die Traube mit dem opulenten Aroma bei Tramin im heutigen Südtirol nachgewiesen - fast vollkommen verdrängt. Sie konnte zwar, ebenso wie andere Sorten deutsch-österreichischer Herkunft bis heute überleben, doch sieht sie sich nun einer übermächtigen Konkurrenz gegenüber. Denn obwohl die Sorten des deutschsprachigen Raums in Südtirol die weiteste Verbreitung genießen, gehen die unbestritten besten Weine der Provinz aus den französischen Rebsorten Chardonnay, Sauvignon Blanc, Cabernet Sauvignon und Spätburgunder oder Pinot Noir hervor. Vor allem mit ihren sauberen, frischen Weißweinen genießen die Winzer der Provinz auch im Ausland eine gute Reputation.

In den besten Lagen und in ertragreduzierten Anlagen sorgen Cabernet Sauvignon und Pinot Noir in guten Jahren dagegen für Resultate, die sich zweifellos mit den besten Gewächsen Italiens - vielleicht sogar Frankreichs - messen können. Die interessanteste rote Sorte der Provinz ist der einheimische Lagrein, der in den letzen Jahren eine regelrechte Renaissance erlebte. Früher meist zu einem unscheinbaren Rosé, Kretzer genannt, verarbeitet, mauserten sich seine Weine in kürzester Zeit zu farb- und tanninbetonten, alterungsfähigen, kräftigen und würzigen Gewächsen, die zunehmend die Gunst der Weinfreunde auf sich ziehen.

Lange Zeit glaubte man, nur die Sand- und Kiesböden von Gries, einem Ortsteil Bozens, wo mitten im Häusermeer die renommiertesten Lagrein-Reben gedeihen, brächten gute eine hervor. Inzwischen haben immer mehr Winzer anderer Orte diese Auffassung als Vorurteil entlarvt, indem sie bewiesen, dass auch andere Lagen in Südtirol hervorragenden Lagrein Dunkel/Scuro liefern können.

Entnommen dem vorzüglichen und umfangreichen Werk "Wein" von André Dominé aus dem Jahr 2000, in Teilen zitiert.

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