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 Der Alentejo wird im Ausland oft als...

Alentejo

Der Alentejo wird im Ausland oft als Kalifornien Portugals bezeichnet. Das erklären die bis zu 600 Hektar großen Weingüter, allen voran die Herdade de Esporáo, die weiten Ebenen oder nur leicht hügeligen Flächen, die in krassem Gegensatz stehen zu der sonst eher klein strukturierten portugiesischen Land- und Weinwirtschaft. Sehr tüchtige, teilweise sogar erstklassige Genossenschaften bereiten das Gros der Weine. Mehr als vierzig Weingütern und gut funktionierenden Gebietsorganisationen ist es gelungen, dem Alentejo-Wein ein Image von Modernität zu verschaffen von Großzügigkeit, das zu suggerieren scheint, mit dem Genuss des richtigen Weins stelle sich der Erfolg von selbst ein. Schaut man jedoch genauer hin, lassen sich auch hier Geschichte und Tradition nicht verleugnen. Weinbaupraktiken römischer Zeit findet man in der ansonsten so modernen Region noch in Gebrauch: da werden in manchen lagares die Trauben noch mit Füßen getreten oder stehen in einigen Weingütern noch die großen Tonkrüge bereit, um den Wein darin auszubauen. So ist das Prinzip der Verdunstungskälte bei Tonamphoren die älteste Methode der Gärkühlung in heißen Regionen. Und heißer als im Alentejo, wo im Sommer bis zu 40°C oft die Regel sind, wird es in Portugal höchstens im Douro-Tal, der zweiten großen Region portugiesischer Modeweine. Die Hitze - ihretwegen wird oft schon ab Mitte August gelesen -  hat zu großen kellertechnischen Investitionen gezwungen, die einigen Betrieben heute elegante, feine und strukturierte Weißweine ermöglichen, und das in einer allgemein als Torweindomäne geschätzten, teilweise sogar gefeierten Region. Rund 19 000 Hektar Rebfläche besitzt der Alentejo heute wieder, das ist etwa so viel wie im letzten Jahrhundert, bevor das Gebiet besonders unter Salazar zur fast reinen Kornkammer eingerichtet worden war, ergänzt um den größten und qualitativ hochwertigsten Korkeichenbestand der Welt und um zahllose Olivenbäume, deren Öl von einigen Weingütern und Genossenschaften als sortereine Spezialität  vermarktet wird. Von den 100 000 bis 300 000 Hektolitern Rotwein, die in einem durchschnittlichen Jahr erzeugt werden ( nur Frostjahre können die Produktion drastisch vermindern ) entfällt etwa die Hälfte auf Vinho Regional Alentejana und DOC Alentejo. Die Weißweinmenge erreicht im Schnitt zwei Drittel davon. Alentejo-Rotwein ist heute in Portugal und ganz besonders in Lassabon groß in Mode und wird neben dem Douro auch im Ausland am stärksten wahrgenommen. Das liegt sowohl an seinem Geschmack als auch an seiner Geschichte.
Zunächst ist der Geschmack entscheidend, und dieser hat mehrere Ursachen. Zwei davon sind die gleichen, die die Korkeiche hier so gesund und qualitativ  hochwertig gedeihen lassen. Ein Faktor ist das Klima, die Trockenheit, die zur Lesezeit im Gegensatz zu vielen anderen portugiesischen Regionen hier fast Regenfreiheit garantiert. Faulige Trauben oder durch Nässe geschädigte Korken sind eine absolute Rarität. Gesunde, dickschalige, bauschwarze Trauben aber garantieren einen fruchtvollen, von warmen, reifen Aromen getragenen Wein.
Die Böden, der zweite Faktor, der sich für Kork und Wein gleichermaßen positiv auswirkt, sind meist eher karg, nicht zur Massenproduktion geeignet. Sie bestehen oft aus Schiefer, Granit und Quarziten mit Anteilen anderer Gesteinsarten, darunter sogar feinstem Marmor, der besonders im Raum von Estremoz und Borba in großen Blöcken abgebaut wird. Disziplin und Tradition, gefördert durch die gut funktionierende Weinbaukommission und technische Beratung, lassen Reben zudem nur auf kargen Böden zu. Auch die Rebsorten-Ausbaudisziplin, ist im Alentejo höher als anderswo, was auch eine Folge der großflächigen Strukturen sein kann. Unter den roten Rebsorten ragt der Aragonez in Eleganz und Struktur eindeutig heraus, der im Douro als Tinta Roriz und in Spanien als Tinto Fino oder Tempranillo bekannt ist. Er gedeiht hier zu vollendeter Reife.

Die Trincadeira wird ähnlich hoch geschätzt, ist aber nicht notwendig besser als Alfrocheiro, Periquita, die ebenfalls empfohlen ist. Einige der besten Weine erbringt die südfranzösische Massensorte Alicante Bouschet, was vielleicht der überzeugendste Beweis für die besondere Gunst und Qualität bestimmter Boden- und Klimafaktoren ist. Faszinierend ist am Alentejo in jedem Fall die Verbindung von höchster Gefälligkeit und Charakter. Selbst die einfacheren Weine besitzen neben der charmanten reifen Frucht eine gewisse Tanninstruktur und bodenbedingte Feinheit, die sich so deutlich von der marmeladigen Frucht der feuchteren küstennäheren Regionen unterscheidet. Trotz früher Lese und fehlender härterer Säuren und Tannine, die Dáo und Bairrada so auszeichnen können, trotz der Weichheit und einer an große Rhone-Weine erinnernden Charakters, sind die Weine meist gut balanciert, weshalb die besten Weine auch eine große Festigkeit und Langlebigkeit auszeichnet. Schade nur, dass Letztere durch zu starkes hervorhebende Charmes der jugendlichen Frucht, durch zu schnellen und reduktiven Ausbau selten ganz genutzt wir. Im Hinblick auf Komplexität sind aber nicht nur der langsamere Ausbau der Weine, sondern ebenso die alten Stöcke mit engem Rebbesatz von Bedeutung. Die Subregionen Portalegre und Granja-Amareleja produzieren deshalb mit ihren Genossenschaften aus vielen Kleinbauern einige ganz hervorragende klassische Weine in schon kontinentalerem Klima.

Ein anderer Grund für die Moderrolle des Alentejo, die ihn zum teuersten und gefragtesten portugiesischen Wein auf der Fassweinebene macht, mag historisch bedingt sein. Nachdem Ende der Diktatur regierte im Alentejo - wie noch heute in vielen Städten - die kommunistische Partei. Junge Leute, Studenten, begeisterten sich für den Alentejo-Wein, lernten ihn schätzen und lieben. Da die Genossenschaften bereits in den 1970er Jahren einen recht hohen Standard vertraten, war der Alentejo lange Zeit der Wein mit der besten roten ?Symbolfarbe" und unter den Weinen zu erschwinglichem Preis fast immer der Beste und Zuverlässigste. In Studenten- und Intellektuellen-Kneipen war er Mode geworden und konnte seine Stellung sogar gegenüber dem aufkommenden Bier verteidigen. Die Atmosphäre der noch arabisch geprägten Städte mitten in der Herzregion der kapitalistischen, inzwischen zum großen Teil wieder aufgeblühten Latifundien, das gute Essen mit traditionellen Gerichten - all das mag eine Rolle gespielt haben.

Auf allen Seiten hat sich somit eine Art großer Koalition der Alentejo-Anhängerschaft herausgebildet, die sicher auch weltweit Bestand haben könnte, wenn es nur mehr von diesen Weinen gäbe. Doch Regionen mit einem so breit gefächerten Spektrum vom überzeugenden Standardwein bis hin zu seriösen Spitzenweinen sind selten.  

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk ?Wein" vom André Dominé aus dem Jahre 2000, in Teilen zitiert)

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