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 Anders als in der Toskana, wo schon einige...

Douro

Anders als in der Toskana, wo schon einige Jahrzehnte früher die erste Gebietsabgrenzung stattgefunden hatte, wurde die Douro-Region gleich umfassend katastriert und in verschiedene Preisklassen eingeteilt. Mit einem Schlag wurde jeder Import von Wein in die Region verboten, der Preisverfall der Weine durch Vermischung gestoppt. Die typische Niedergangsgeschichte zahlloser Weinregionen, die nach einer Erfolgsphase durch unendliche Vermehrung ihrer Weine, sei es durch Verschnitte oder Panschen, aus Profitgier in den Bankrott steuerten, wurde umgekehrt. In zwanzig Jahren wurde durch das autoritäre Regime Pombals nicht nur der moderne Gebietsschutz einer Weinregion, die wegen ihrer ungünstigen Anbaubedingungen und Abgelegenheit preislich nie hätte konkurrieren können, in Kraft gesetzt, sondern auch die Preise verdreifachten sich. Neue Portweinhäuser wurden gegründet, die Region gedieh wieder, diesmal mit geregelter Menge.

Die Nachfrage war so stark, dass es schrittweise kleine Erweiterungen gab, aber ohne negative Folgen. Erst nach zunehmenden Liberalisierungen wurde der Markt wieder instabiler und krisenhafter. Der endgültige Schritt zur Stabilisierung des Marktes und Sicherung der Region, die so viel zur portugiesischen Wirtschaftskraft und Geschichte beigetragen hat, erfolgte dann während der Zeit der Diktatur Salazars.

Seit der zu weit gefassten Demarkierung von 1907, die 1921 korrigiert und strenger gefasst wurde, hat man zwar eine intensive Markenschutzpolitik für den „Porto" betrieben, aber die Preise reichten nicht aus. Im Jahre 1933 wurden die bis heute gültigen und entscheidenden Organisationen gebildet, das „ Casa do Douro", der Winzerverband, das „ Grémio dos Esportadores do Vinho do Porto" (Verband der Portweinexporteure) und das „Instituto do Vinho do Porto" (Portweininstitut), eine offizielle Institution, die für die übergeordneten Interessen der Portweinwirtschaft zu sorgen hatte. Unter anderem wurde auch die „Câmara dos Provadores" eingerichtet für die Prüfung der Portweine im Glas. Die bedeutendste und weltweit einzigartige Leistung war jedoch seitens des  Casa do Douro ein neuer Weinbaukataster von allen Winzern und Rebparzellen, die bis heute fortgeschrieben wird und eine Fülle von Daten sammelt. Die bedeutendste Leistung innerhalb dieses Katasters ist jedoch die Klassifizierung jeder kleinsten Parzelle in sechs Klassen von A bis F, die der Agrar-Ingenieur A. Moreira da Fonseca 1947/48 konzipiert hatte.

Portugal wird immer wieder als das Land mit der größten Rebsortenvielfalt der Welt beschrieben: es sollen rund 500 sein. Es ist in der Tat erstaunlich, denn es sind ja keine durch moderne Kreuzungszüchtung entstandenen Sorten, sondern Reben, die, wenn sie nicht aus anderen Ländern eingeführt wurden, aus einer Selektion vor Ort, durch Anpassung an das jeweilige‚ Terroir entstanden sind; viele lassen sich vermutlich bis weit ins Mittelalter zurückverfolgen, bis in die Blütezeit der Klöster und ihre Weinkultur.

Die geradezu unvorstellbare klimatische, geologische und topographische Vielfalt, die weitgehende Nichtbeachtung der Sortenreinheit, die Tradition der Blendweine der großen Kellereien hat dann zusätzlich dazu geführt, dass bis Anfang der 1980er Jahre, als im Hinblick auf den EG-Beitritt fieberhaft geforscht und kartiert wurde, Rebsortenforschung und Weine aus einzelnen Rebsorten eher zufällig waren und sich auf wenige Einzelinitiativen beschränkten wie die des Hauses Ramos Pinto im Douro-Gebiet. Urplötzlich standen dann die Entscheidungen an, was empfohlene, was autorisierte Sorten sein sollte, um die Bedingungen für die jeweiligen Qualitätsweinregionen festzulegen. Rebsortenreine Anpflanzungen sind, von einzelnen Regionen abgesehen, die sehr stark auf einer Sorte basieren, wie Baga in der Bairrada oder Periquita in Palmela, selten. Sie begannen erst in den 1980er Jahren in größerem Ausmaße und setzten sich in den 1990er Jahren fort.

Seit diese Neuanlagen langsam ausreichend Trauben bringen, ist in den letzten Jahren des Jahrtausends eine geradezu rasante Mode der Vinhos Varietais oder Vinhos Estremes, wie man die Rebsortenweine nennt, entstanden. In einer Mischung aus Entdeckerinteresse auf Winzer- wie Verbraucherseite und Geschäftstüchtigkeit auf Winzerseite, die ebenso Spezialitäten und Raritäten zu höheren Preisen verkaufen können, hat sich das Angebot dieser für Portugal extrem neuen Weintypen so vermehrt, dass kaum noch ein Überblick möglich ist. Dass die noble Traube des äußersten Nordens, der Alvarinho, plötzlich auch im Süden auftaucht, die generell als edelste Traubensorte Portugals (und vielleicht der Welt) geltende Touriga Nacional schlagartig fast überall versucht wurde anzubauen, wo das Image verbessert werden soll, ist eher fragwürdig. Aber die Tatsache, dass nun viele Weine aller Sorten auf den Markt kommen, ist gewiss demokratischer und verbraucherfreundlicher als Entscheidungen in wissenschaftlichen Versuchen, was, wo und wie am besten wächst. Das Bild der empfohlenen Sorten ist schon jetzt im Wandel, mit jedem neuen anregenden Wein.

Die Gefahr, dass gerade durch die zwangsweise immer kurzsichtige Einschränkung der Sorten auf wenige die Vielfalt bald deutlich geringer wird, ist zweifellos gegeben.

Aber bei dem Partikulargeist, dem typisch portugiesischen Bairrismo, ist der eigensinnige Erhalt bestimmter lokaler Spezialitäten dennoch äußerst wahrscheinlich.

Für den Verbraucher ist es wichtig, zu wissen, dass die meisten Rebsortenweine aus jungen Anlagen kommen. Sie können also nie die Konzentration alter Rebsorten ausdrücken. Mit spektakulärer Frucht und Finesse wissen manche Weine zwar aufzuwarten. Denkwürdige, spannende, eigenständige, neue Weinerlebnisse bieten die Varietais, aber bei zu hohen Preisen fragt man sich, ob der in manchen Fällen preiswertere Wein aus gemischten alten Rebbeständen nicht doch mehr fürs Geld bietet. Andererseits ist das Gros der führenden Häuser, wie zum Beispiel das größte portugiesische Unternehmen SOGRAPE, nicht nur überzeugt, dass man nicht nur auf einheimische oder internationale Rebsorten setzen soll, sondern auch, dass die Sortenmischung die besseren kompletteren Weine erbringt. Offen räumen viele Erzeuger ein, dass die Vinhos Estremes erst einmal ein Versuch sind, um vielleicht wieder ganz oder fast ganz zu Cuveé-Weinen zurückzukehren. Und für die, die auch Cuveés von Sorten ablehnen, weil sie nicht die Komplexität der portugiesischen Weine, insbesondere ja auch der besten Ports erbringt, gibt es auch die Beibehaltung des alten traditionellen gemischten Satzes mit zehn oder zwanzig Sorten.

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