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 Katalonien war in der wechselvollen spanischen...

Katalonien

Katalonien war in der wechselvollen spanischen Weingeschichte mehrmals der Ausgangspunkt für grundlegende Entwicklungen. Archäologische Funde legen es nahe, dass in der heutigen D.O. Empordá-Costa Brava von den Griechen der erste Wein Spaniens gekeltert wurde. Die Weine aus der heutigen D.O. Alella tranken schon die römischen Kaiser und machten ihn innerhalb ihres Weltreiches berühmt. Vor mehr als 100 Jahren begann im Penedès durch die Einführung des aus der Champagne übernommenen Flaschengärverfahrens für die Cava-Herstellung der moderne Weinbau in Spanien. Schließlich legten die katalanischen Weinpioniere in den 1970er Jahren den Grundstein für wissenschaftliches und zeitgemäßes Weinmachen und prägten einen technischen Standard, der heute überall als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Umso verwunderlicher mutet es an, dass nach dem technischen Neuanfang der Sprung an die Qualitätsspitze überraschend lange auf sich warten ließ. Eine große Zahl von Erzeugern bewegte sich auf einem soliden Niveau, herausragende Gewächse waren jedoch selten. Inzwischen werden in Katalonien einige sehr ansprechende Weine erzeugt.

Obwohl die verschiedenen Gebiete Kataloniens durchaus eine Reihe von historisch wie auch klimatisch bedingten Gemeinsamkeiten aufweisen, verlief die Entwicklung der neuen D.Os in sehr unterschiedlichen Bahnen. Kataloniens Weinpanorama kann als Spiegel für den Rest des Landes gelten und wird von Weinspezialisten aus aller Welt als Szenebarometer für ganz Spanien genommen. Dies liegt insbesondere daran, dass das große Gebiet Katalonien zu den dynamischsten Wein erzeugenden Regionen der Welt gehört. Eines der letzten Zeichen dieser Dynamik war die Einführung einer - von vielen Weinregionen, auch außerhalb Spaniens erträumten - Dachappellation, die die neun einzelnen D.O. - Weinbaugebiete übergreifend zusammenfasst, der VCPRD Cataluna. Diese Dachappellation garantiert Qualitätswein aus einem klar definierten Anbaugebiet. Während sie den Interessen international operierender Großerzeuger dient, kämpfen engagierte Winzer wie im Priorato für die Anerkennung und den Schutz ihres Terroirs.

AVANTGARDISTISCHE SORTENWAHL

Kataloniens Weingebiete bieten einen verblüffenden Sortenspiegel, denn neben einheimischen Sorten, insbesondere den zur Cava-Herstellung erforderlichen, einigen anderen autochthonen Varietäten und dem hier Ull de Llebre genannten Tempranillo bewiesen die Katalanen ihr zukunftsgerichtetes Denken, indem sie frühzeitig die hochwertigen französischen Trauben zuließen. Hier entstanden die ersten großen sortenreinen Cabernets Spaniens und die ersten gelungenen Cuvées aus einheimischen und Bordelaiser Trauben. Inzwischen sind die ersten Rebanlagen zwanzig und zum Teil mehr Jahre alt und ermöglichen profunde und gut strukturierte Weine.
Die Kellermeister Kataloniens haben ein Kunststück vollbracht. Auf der einen Seite gelang es ihnen mit der zeitigen Zuwendung zu den inzwischen internationalen Sorten, bei den Modetrends mitzuhalten und beispielsweise hervorragende Barrique-Chardonnays zu erzeugen. Andererseits sind sie sich des erstaunlichen Reichtums an einheimischen Sorten bewusst, der es ihnen erlaubt, Weine sehr eigenen Stils zu vinifizieren. Hier besteht noch ein enormes Potential, das die önologischen Großmeister wie Miguel Torres, José Luis Pérez ( Mas Mariniet) oder die Gebrüder Albet y Noya gerade erst auszuschöpfen beginnen. Über 30 ehemals vom Aussterben bedrohte Rebsorten werden momentan in den Versuchsparzellen großer katalanischer Kellereien wieder gezogen und per Klonselektion aufgearbeitet. Ein großer Teil der Gewinne aus der Weinproduktion wird in die Forschung auf önologischem Gebiet investiert, die in dieser Region besonders vehement vorangetrieben wird.

ÖKOLOGISCHE TENDENZEN

Aufsehen erregte in den letzten Jahren die Entwicklung der ökologisch erzeugten Weine in Katalonien. Mit fast 40 anerkannten Winzern besitzt die Region doppelt so viele Bio-Winzer wie der gesamt Rest des Landes. Angesichts der idealen Bedingungen für umweltschonenden Anbau, das trocken-warme Klima und die armen Böden machen es leicht, auf chemische Behandlung der Pflanzen und Trauben zu verzichten, wird die Gesetzgebung hier besonders strikt eingehalten, was die Kunden, die sich noch hauptsächlich im Ausland befinden, zu schätzen wissen.
Der Großteil der Güter liegt im Penedés, einige aber auch in Tarragona. Dass man die Qualitäten dieser Winzer ernst nehmen muss, machen Topweinmachen wie die Gebrüder Albet Noya oder Antoni Capel (Masia Freixe) deutlich, deren Weine in einem Atemzug mit den ganz großen katalanischen Kreszenzen genannt werden. Bewusst niedrige Erträge aus sorgfältigst gepflegten Weinbergen machen es möglich.

UNENTDECKTE TRADITION

Wie in den meisten Regionen, die sich nach und nach mit modernen Weinen einen Namen gemacht haben, sind jedoch auch die alten Weinstile beileibe nicht ausgestorben. In den kleinen D.Os spielen die so genannten Vinos Rancios als Zeugen der önologischen Vergangenheit eine gewisse Rolle. Dabei handelt es sich um trockene Weine aus Garnacha Blanca oder Tinta, die überreif gelesen und in großen Fudern ohne Beigabe von Weinalkohol viele Jahre gelagert werden. Durchaus üblich ist die Lagerung unter freiem Himmel, und bisweilen sieht man auch, dass Gefäße aus Glas verwendet werden. Der süße Vino Generoso ist eine weitere Variante, an der nocheinige Produzenten festhalten. Bei ihm wird die begonnene Gärung durch Zugabe von Weingeist gestoppt, sodass eine beträchtliche Restsüße erhalten bleibt. Im Gegensatz zur südlichen Levante liefert hier die Garnacha vorwiegend den Most und seltener die Moscatel-Traube. Eine alte Winzertradition sind auch die süßen Mistelas, bei denen es sich um unvergorenen Süßmost handelt, bei dem jegliche Gärung durch Zusatz von Weinalkohol unterbunden wird. Das Verkosten dieser archaischen Weintypen gleicht einem Ausflug in die Vergangenheit, doch nach einem guten Essen zeigt es sich, dass diese Art von Dessertweinen nach wie vor ihre Berechtigung haben.

Außer im Penedés und der Costers del Segre stellen die Sorten Garnacha Blanca und Tinta einen bedeutenden Anteil der Rebfläche in den katalanischen Appellationen, was von zukunftsorientierten Winzern lange Zeit beklagt wurde. Nach dem Weinwunder im Priorato, dessen neue Weine sich zumindest teilweise auf Moste alter Garnachapflanzungen stützen, hat man jedoch erkannt, dass die rote Garnacha, in kleinen Mengen geerntet, vollfruchtige und ungemein satte Weine hervorbringen kann. Das Problem der kleinen D.Os ist natürlich, die alten, starren Strukturen aufzulösen und die Winzer zu ermutigen, Innovatives in ihren Keltermethoden zuzulassen. Katalonien ist nicht gleich Priorato, aber auch die weniger bekannten Weingebiete der Region stecken noch voller Möglichkeiten.

(entnommen aus dem vorzüglichen und umfangreichen Werk "Wein" vom André Dominé aus dem Jahre 2000, in Teilen zitiert)

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