
Die Süße und der Wein
Ein schwieriges Thema, das mit der Süße und dem Wein. Einerseits gelten vielen Verbrauchern süße Weine immer noch als die „schlechteren“ Weine, was wir an dieser Stelle gleich als widerlegt wissen möchten, und trotzdem hat sich der Ausspruch „ich trinke nur trockenen Wein“ längst im bürgerlichen Genusskanon vom medium Steak über starken Kaffee bis hin zum rauchigen Whisky etabliert. Das paradoxe daran ist, dass viele Weine ganz stillschweigend halbtrocken sind aber sich trotzdem großer Beliebtheit und der Einschätzung trocken zu sein erfreuen, oder dass einige Süßweine wie Trockenbeerenauslesen und Eisweine Rekordpreise erzielen während ich den süßen Pinot Grigio für 1,99€ beim örtlichen Discounter finde. Was sind die Unterschiede zwischen edelsüß und fruchtsüß, welche die zwischen feinherb und halbtrocken, ist eine Spätlese immer süß und warum schmeckt mancher trockene Wein süß?
Was macht Wein süß?
Um Ihnen zu diesem Thema vor allem reinen Wein einzuschenken, müssen wir verstehen wie der Zucker in den Wein kommt oder besser gesagt wie er da bliebt und was unsere Wahrnehmung von Süße in einem Wein beeinflusst.
Also widmen wir und zuallererst der Rebe, denn in jeder Traube steckt Zucker, welcher während des Sommers von der Pflanze mit Hilfe der Fotosynthese in den Beeren eingelagert wird. Dies geschieht hauptsächlich nach dem Farbumschlag, wenn die harten grünen Beeren beginnen eine delikate Farbe anzunehmen und anschwellen. Umso mehr Sonne und Wärme die Rebe in dieser Zeit erfährt umso mehr Zucker lagert sie in den Beeren ein. Wenn im Herbst die Ernte ansteht ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Winzers den Zuckergehalt in den Beeren zu messen und so zu entscheiden ob und wann geerntet werden soll und welcher Wein daraus entstehen soll.
Sind Kabinett und Spätlese immer süß?
Nun kommen wir auch schon zu einer häufigen Fehlannahme und einer Eigenheit des deutschen Weines welcher laut Weingesetz sich in Qualitäts- und Prädikatsweine unterteilt. Denn die Einteilung in die einzelnen „Qualitätsstufen“ geschieht anhand des Zuckergehalts aber nicht im Wein sondern in dem Saft der Beeren, dem Most. So hat ein Kabinett zwar einen höheren Zuckergehalt im Most (höheres Mostgewicht) kann aber genau so wie ein Qualitätswein komplett trocken sein. Gleiches gilt für die Spätlese und die Auslese, welche nach Mostgewicht über dem Kabinett liegen aber ebenfalls ohne Restsüße trocken ausgebaut werden können. Nur die höheren Prädikate, namentlich die Beeren- bzw. die Trockenbeerenauslese und der Eiswein besitzen soviel Zucker im Most, dass sie immer süß sind.
Edelsüß, Fruchtsüß oder nur süß? Die Unterschiede.
Um der Frage: "was macht einen Wein süß, wenn es denn nicht (nur) an den Trauben liegt?" weiter nachzugehen schauen wir uns an was nach der Ernte im Weinkeller passiert. Hier kommen wir der Antwort schon ein ganzes Stück näher denn hier wird bei einer alkoholischen Gärung vereinfacht gesagt Zucker durch Hefe in Alkohol umgewandelt. Umso mehr Zucker in den Trauben, umso mehr Alkohol im Wein sind wir versucht zu sagen, aber auch das lässt sich nicht so einfach festlegen. Denn der Winzer hat die Wahl, lässt er den ganzen Zucker zu Alkohol vergären und bereitet einen trockenen Wein oder stoppt er die Gärung und erhält einen halbtrockenen, feinherben oder gar süßen Wein. Und genau darin liegt das Geheimnis: der Winzer entscheidet wie weit die Gärung von Statten geht und wie viel Restzucker im Wein verbleibt. Ausnahme sind hier Weine welche von so zuckerreichen Beeren bereitet werden, dass die Hefe diesen nicht mehr verarbeiten kann. In diesem Kontext lassen sich auch die Wörter fruchtsüß oder edelsüß entschlüsseln, welche immer dann Verwendung finden wenn der Wein auf natürliche Weise, aufgrund von zu viel Zucker im Most, nicht komplett vergären kann. Aber was ist hier wieder der Unterschied zwischen fruchtsüß und edelsüß? Edelsüß sind Weine die aus edelfaulen (botrytischen) Trauben hergestellt werden und fruchtsüße Weine aus Trauben welche durch Trocknung und oder eine sehr späte Ernte sehr viel Zucker besitzen.
Ist feinherb süßer als halb-trocken? Das sagt das Weingesetz.
Was sagt der Gesetzgeber ab wann ist ein Wein trocken und wann süß? Hier die Antwort: Trockener Wein hat maximal 9 Gramm Zucker je Liter, halbtrockener Wein hat bis zu 18 Gramm Zucker je Liter und ist weniger süß als feinherber Wein. Für feinherben Wein gibt es zwar keinen definierten Zuckergehalt aber meist ist dieser weniger süß als lieblicher Wein aber süßer als halbtrocken. Hat ein Wein weniger als 45 Gramm Zucker aber mehr als 18 Gramm je Liter ist er lieblich und weniger süß als süßer Wein, der mehr als 45 Gramm Zucker je Liter besitzt.
Wann schmeckt ein Wein süß und heißt trocken gleich sauer?
Da Wein vielmehr ein Genussprodukt als ein bürokratischer Verwaltungsakt ist hängt es aber maßgeblich von unserem individuellen Geschmack und dem Gesamtbild des Weines ab wie wir die Süße eines Weins wahrnehmen. Zur Erklärung knüpfen wir uns eine weitere Frage vor: Ist trockener Wein sauer? - Nein, aber die Säure in einem Wein hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung von Süße. Hat ein halbtrockener Wein beispielsweise viel Säure, kommt uns dieser weniger süß vor. Genau so verhält es sich mit trockenem Wein, wenn dieser wenig Säure hat reicht schon ein bisschen Restzucker damit wir Süße wahrnehmen.
Kann trockener Wein süß schmecken und ist süßer Wein "schlechter" ?
Bei diesem Thema trennt sich auch die Spreu vom Weizen der süßen Weine und erklärt warum süßer Wein noch immer unter einem schlechten Image zu leiden hat. Denn viele unharmonische, günstigere Weine haben versucht mit mehr Süße über ihre Fehler hinwegzutäuschen. Meist nur mit mäßigem Erfolg denn ohne das nötige Süße-Säure Gleichgewicht wirken solche Weine oft unausgewogen und klebrig süß. Am anderen Ende der Weinwelt, bei hochklassigen Süßweinen zeigt sich, dass sehr konzentrierte Aromen und eine balancierende Säure, selbst astronomische Zuckergehalte in ein edles Gleichgewicht bringen.
Ist fruchtiger Wein süß?
Wenn wir schon bei den Fruchtaromen sind, stimmt es, dass alle fruchtigen Weine süß sind? Wieder einmal lautet die Antwort nein. Obwohl wir sehr ausladende und konzentrierte Fruchtaromen oft mit süße assoziieren kann ein fruchtiger Wein komplett frei von Zucker sein. Ein gutes Beispiel gibt uns ein trockener Gewürztraminer, welcher mit Aromen nach Aprikose, tropischen Früchten in unserm Kopf die Assoziation von Süße hervorruft, obwohl der Wein nur sehr wenig oder gar keinen Zucker enthält. Abermals kommt hier die niedrige Säure hinzu welche den Eindruck weiter verstärkt.
Süßer Wein zu süßem Essen ?
Und zu guter Letzt um diese kurze Geschichte der Süße im Wein abzuschließen – Dessert und die Frage: Warum schmeckt mein Wein nach dem Dessert sauer, obwohl ich ihn schon den ganzen Abend über getrunken habe? Das liegt daran, dass unser Geschmackssinn vergleichend arbeitet. Das sehr süße Dessert verändert die Wahrnehmung und lässt den Wein im Vergleich sauer erscheinen. Daher die Faustregel der Wein sollte immer mindestens so süß wie das Essen sein.